Triathlon auf Französisch
Die Szenerie ist malerisch. Wir sitzen an einem schönen Sommerabend am Rande eines idyllischen Badesees. Der See liegt in Benfeld im Elsass, 30 km südlich von Straßburg. Es ist nach Feierabend. Im Minutentakt treffen sportliche Frauen und Männer mit großen Taschen in der Hand ein. Allein oder in der Gruppe. Ein älteres, jung gebliebenes Ehepaar. Eine junge Familie, er trägt den Zweijährigen auf seinen Schultern. Es stellt sich schnell heraus, dass es sich um Triathleten handelt. In der Tasche befindet sich der Neoprenanzug und in der Regel eine Schwimmboje. Die junge Mutter schlüpft in den Neo und zeigt ihren beiden Männern am Ufer, wie gewandt man sich im Freiwasser fortbewegen kann. Das Ehepaar hat schon nach wenigen Minuten das gegenüberliegende Ufer erreicht und auch die anderen Triathleten ziehen ihre Runden scheinbar mühelos, im sauberen, klaren Wasser. Klar, die Sportler bereiten sich auf den am kommenden Sonntag stattfindenden Triathlon in Obernai vor. Es ist ein internationaler Triathlon mit 2000 Teilnehmer*innen aus einem Dutzend Länder, bei dem im Benfelder See gestartet und in Obernai gefinished wird. Wie die Schwimmer im See, möchte ich eigentlich auch am Sonntag an dem Triathlon teilnehmen. Ich bekomme mal wieder Zweifel, ob ich der Herausforderung gewachsen bin. Während die Sportler im See ihre Sache wirklich ernst nehmen, sitze ich hier und lasse meine Füße baumeln, Badehose und Neo im Hotelzimmer.
Auf diesen Triathlon in Frankreich hat mich mein Vereinskamerad Armin aufmerksam gemacht, der mit über 100 Triathlonteilnahmen ein wirklich sehr erfahrener Athlet ist. Er startet am Sonntag auch in Benfeld/ Obernai und hat sich die Mitteldistanz vorgenommen. Ich hoffe für mich, dass ich mir mit der Olympische Distanz nicht schon zu viel zumute. Denn bereits diese Distanz fordert mir meinen ganzen Respekt ab: 1400 m schwimmen, 46 km Radfahren und 10 km laufen. Allein das würde mir reichen. Die Krönung aber sind die 765 Höhenmeter über den Mont St. Odile, über den die Radstrecke führt. Auch die Laufstrecke ist mit 172 hm gespickt und verlangt den Sportlern in der dritten Disziplin sicher alles ab. Von der Mitteldistanz will ich gar nicht sprechen: 2100 m schwimmen, 82 km inklusive 1600 hm Rad fahren und 21 km inklusive 300 hm laufen im Wettkampftempo sind den Meistern und Meisterinnen des Triathlons vorbehalten.
Der Sonntag ist viel zu schnell da und es ist so weit. Das große Triathlonfest von Obernai beginnt am Plan d'eau de Benfeld. Die Mittel- und Sprintdistanzler sind bereits früher am Morgen und die Frauen der Olympischen Distanz um 12.15h gestartet. Die Männer starten in der letzten Startgruppe um 13h. 350 Triathleten stehen für die Olympische Distanz am Start. Die Stimmung ist entspannt, die Blicke kameradschaftlich und die Laufsprecherdurchsagen laut und deutlich zu verstehen. Halt alles auf Französisch und ich verstehe beim Briefing eigentlich nur Bahnhof. Zum Glück übersetzen die Sportskollegen links und rechts ins Englische und zeigen sich sehr hilfsbereit.
Die Hupe ertönt und das Race beginnt. 350 Männer stürzen sich alle auf einmal in den See. Die berühmte "Waschmaschine" lässt sich nicht vermeiden. Das Wasser brodelt. Jeder versucht freies Wasser (jetzt weiß ich auch, weshalb es Freiwasserschwimmen heißt) und seinen Kraulrhythmus zu finden. Nach der ersten Runde hat sich das Feld aber schon auseinandergezogen, dann kommt ein Landgang und bei der zweiten Runde gibt es ein bisschen mehr Platz im Wasser. Obwohl sich an den Bojen natürlich trotzdem "Knäuel" bilden. Trotz der Fights im Wasser läuft alles fair und sportlich ab. Kein Ziehen und Schubsen, kein Wegdrücken. Fairer Sport. Ich komme dann mit dem ersten Teilnehmerdrittel aus dem Wasser und sprinte zu meinem Fahrrad in die Wechselzone 1. Beim Wechsel müssen der Neo, Bademütze und -brille in den dafür bereit gestellten schwarzen Sack gestopft werden, der dann zum Ziel transportiert wird.
Raus aus der Wechselzone und rauf aufs Rad auf die folgenden 20 km "Flachetappe", die sich aber bei starkem Gegenwind als sehr kräftezehrend gestalten. Viele, meist jüngere Athleten, die beim Schwimmen langsamer waren, überholen mich auf diesen Kilometern. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen, fahre mein Tempo und weiß, dass noch ein großer Berg auf mich wartet. Ein Triathlet, 15 Meter vor mir, nimmt es mit dem Windschattenabstand nicht so genau und kassiert prompt eine Verwarnung von einem Schiedsrichter auf dem Motorrad. Am Ende des Rennens wurden auch vier Teilnehmer aus meiner Startgruppe tatsächlich disqualifiziert. Es lohnt sich also schon, die strengen Triathlonregeln ernst zu nehmen.
Nach der "Flachetappe" freue ich mich regelrecht auf den Berg, weil ich dann endlich den üblen Gegenwind los bin. Die folgende Steigung ist mit einer unserer typischen Albaufstiege, halt nur länger, zu vergleichen. Das bin ich gewöhnt und kann durchdrücken. Allerdings merke ich nach über 700 hm full power, dass sich Krämpfe in den Beinen andeuten und ich bin wirklich froh, als der Gipfel erreicht ist. Auf der ganzen Strecke und auch auf der folgenden langen Abfahrt profitiere ich von den TriAs-Ausfahrten, bei denen neben langen Anstiegen auch rasante, aber kontrollierte Abfahrten geübt werden. Es folgen noch drei Hügel und die letzten Kilometer als Sprintstrecke zur Wechselzone 2 direkt in Obernai.
Die Wechselzone 2 ist unübersichtlich groß und zum Glück lotst mich ein Helfer zu meinem Wechselbeutel, in dem meine Laufschuhe und -utensilien verstaut sind. Ich bin immer noch motiviert, merke aber, dass sowohl das Schwimmen, als auch das anstrengende Radfahren doch schon sehr an den Kräften gezehrt haben. Als ich in die erste der beiden Laufrunden gestartet bin, kommt mir nach den ersten paar hundert Meter bereits der spätere Gesamtsieger der Olympischen Distanz entgegen. Mittendrin ist es noch beeindruckender zu erleben, zu welchen Leistungen Spitzensportler in der Lage sind. Als Zuschauer oder vor dem Fernseher sieht immer alles sehr entspannt aus.
Doch von Spitzenleistungen bin ich weit entfernt und kämpfe mit beginnenden Krämpfen in den Beinen. Dann auf einmal geht gar nichts mehr. Ich muss anhalten und hoffe, dass ich weiterlaufen kann. Zum Glück kann ich den Krampf durch Dehnen lösen und dann weiterlaufen. Beim Start in die zweite Runde kann ich nur hoffen, dass ich von Krämpfen verschont bleibe. Eigentlich geht es mir ganz gut und ich könnte im Prinzip noch locker rennen. Trotzdem muss ich im "Schongang", wie auf rohen Eiern laufen und versuche mit jedem Schritt, einen Krampf zu vermeiden. Als ich die letzten Berge hinter mir habe, gebe ich bergab nochmal Gas und komme ausgepowert aber sehr zufrieden im Ziel in Obernai an. Es ist wirklich ein Triathlonfest!
Am Ende können sich Armin und ich so richtig freuen. Armin in der Mitteldistanz über eine Wahnsinnsleistung und eine Superzeit von 5:38 h bei 1.900 überwundenen Höhenmetern und den hervorragenden 5. Platz in seiner Altersklasse Vétéran 4. Ich kann mich in der Olympischen Distanz nach 3.09 h über den zweiten Platz in der Altersklasse Vétéran 5 freuen. Um ganze acht Sekunden war der erstplatzierte Altersgenosse aus Belgien schneller als ich. Die Fahrt zum Triathlon in Obernai und auch die Urlaubswoche davor im Elsass waren wirklich eine Reise wert.
https://triathlon-obernai.fr
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